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Zweiter Sonntag im Mai

Muttertag

In Deutschland wurde der erste Muttertag 1923 gefeiert, nachdem er ein paar Jahre zuvor in Amerika von Anna Jarvis eingeführt wurde (Kegel, 2008).

Die Idee der alleinstehenden und als Lehrerin berufstätigen Pfarrerstochter „fußte auf den politischen Zielen der damaligen Frauenbewegung“ (ebd.) und war motiviert durch den Tod ihrer Mutter. Anstelle der Würdigung eines „Mutterbildes von edler Einfalt, stiller Größe und nimmermüder Opferbereitschaft“ (ebd.), wie der Tag zum Beispiel von den NationalsozialistInnen als Propaganda benutzt wurde, sollte es um die soziale und politische Rolle der Frau in der Gesellschaft gehen, „zu Beginn des vorigen Jahrhunderts bietet sich dafür die Mutter als gesellschaftlich legitime Identifikationsfigur an“ (ebd.).

Die Bedeutung des Tages hat sich bis heute mehrmals geändert. Anna Jarvis' Geste unterschiedlich farbige Nelken (die Lieblingsblume ihrer Mutter) zu verteilen, wurde von Blumenverkäufer*innen aufgenommen und kommerzialisiert. Gegen diese Kommerzialisierung wehrte sich Jarvis vor Gericht. Aufgrund ihrer Proteste kam sie zeitweise ins Gefängnis, zog vor Gericht und starb 1948 verarmt (ebd.). In Deutschland wurde der Muttertag von Rudolf Knauer „zu Ehren ‚der stillen Heldinnen unseres Volkes‘“ (ebd.) eingeführt. Als Beauftragter des Verbands Deutscher Blumengeschäftsinhaber handelte er wahrscheinlich weniger aus der Motivation die Rechte von Müttern zu stärken, sondern eher aus eigenen kommerziellen Interessen (ebd.).

Schnell wurde der Tag von konservativen und völkisch orientierten Gruppen, welche die Mutterschaft als Berufung der Frau ansahen, umgedeutet. Im Nationalsozialismus wurde der Tag aus Propagandazwecken zum Feiertag erklärt um kinderreiche Mütter zu belohnen und damit die Rolle der Frau auf Mutterschaft und Haushalt zu reduzieren. Das galt nur für Frauen, die der rassistischen und völkischen Ideologie des Nationalsozialismus entsprachen. Dagegen wurden beispielsweise Frauen mit Behinderungen zwangssterilisiert und jüdische Frauen ermordet („Mutter des Muttertages“, 2020).

Was ist also eine Mutter und wem wird noch heute der Mutterbegriff abgesprochen?

Eine Mutter ist ein „weibliches Wesen, das ein kleines Wesen geboren hat“ (Fetscher 2013). Dies ist eine rein biologische Sichtweise, welche sich so simpel nicht auf den Menschen übertragen lässt.

„Aus der idealisierten Mutter ließ sich religiös wie politisch, bis hin zum biologistischen NS-Mutterkreuz, Kapital für Ideologien schlagen. […] Längst hat die Entwicklungspsychologie klargemacht, was Kinder vor allem brauchen: Schutz, Zeit, soziale Wärme, kreative Anregungen, entspannte Aufmerksamkeit. Ist jemand bereit und reif genug dafür, kann er oder sie ‚Mutter‘ sein.“ (Fetscher, 2013)

Das Bild der leiblichen und aufopfernden Mutter ist in vielen Kreisen fortbestehend, wird aus heutiger Sicht jedoch als überholt angesehen. Eine Mutter ist nicht nur jene Person, die ein Kind auf die Welt gebracht hat. Mütter gibt es in vielen Beziehungsverhältnissen zwischen einer erwachsenen, meist weiblich identifizierenden Person und einem Kind, dessen Erziehungsauftrag diese erwachsene Person übernimmt.

Trotzdem ist nicht zu verleugnen, dass es nicht-gebärende, trans und queere Mütter in Deutschland immer noch sehr viel schwerer haben, wenn es um die Mutterfrage geht. Gesetzlich sind Mütter immer noch nur jene, die das Kind geboren haben oder in einer heterosexuellen Beziehung mit Kind leben. Mit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare 2017 hat sich daran nichts geändert (Opitz, 2020). „Bei der Einführung der Ehe für alle wurden lesbische Paare in der Frage der Co-Mutterschaft nicht mit heterosexuellen Paaren gleichgestellt […]. Familien, in welchen das zweite Elternteil ein trans Mann ist oder keinen Geschlechtseintrag oder einen divers-Eintrag hat, stehen vor ähnlichen Problemen“ (Hofmann, 2021). Zum Beispiel müssen Mütter in lesbischen Beziehungen, die ihr Kind nicht geboren haben, ihr Kind als Stiefkind adoptieren, auch wenn das Paar verheiratet ist (Opitz, 2020). Ehemänner werden in derselben Situation beim Standesamt automatisch als Väter eingetragen, leibliche Abstammung spielt hier keine Rolle (Hofmann, 2021). Bis zu dem Ende eines Stiefkindadoptionsvorgangs, hat das Kind keine Absicherung durch zwei Elternteile, wie bei heterosexuellen Paaren. Sorgerecht, Unterhalt und erbrechtliche Ansprüche gelten dementsprechend nur dem leiblichen Elternteil gegenüber. Dadurch werden das Kind und dessen Eltern nur aufgrund der Geschlechtseinträge des Elternpaares benachteiligt (Hofmann, 2021). Außerdem wird damit impliziert, dass heterosexuelle Elternpaare besser für die Erziehung eines Kindes geeignet sind als queere Eltern. Mit der Initiative „nodoption“ soll darauf aufmerksam gemacht und gegen die deutsche Gesetzeslage gekämpft werden (Opitz, 2020).

Zur initiative "nodoption"

Vor all diesen Hintergründen wird der Muttertag kontrovers diskutiert. Durch die Sichtbarmachung seines historischen Kontexts und wirkender Ausschlussmechanismen, hat der Tag das Potenzial, auf eine Geschichte der Unterdrückung und Stigmatisierung von Frauen aufmerksam zu machen. Er motiviert dazu sich mit aktuellen politischen und sozialen Themen der Frauen- und queeren Bewegung auseinanderzusetzen und für sie einzustehen.


Quellen

Hofmann, Inga (2021): "Zwei lesbische Mütter wollen Klärung vor Gericht." In: tagesspiegel.de. Letzter Zugriff: 14.04.2021.

Opitz, Nicole (2020): "Queere Mütter klagen." In: taz.de. Letzter Zugriff: 14.04.2021

(2020): "Wie die ‚Mutter des Muttertages‘ Frauen aus dem Lockdown holen wollte." In: mdr.de. Letzter Zugriff: 14.04.2021

Fetscher, Caroline (2013): "Was ist eine Mutter?" In: tagesspiegel.de. Letzter Zugriff: 13.04.2021.

Kegel, Sandra (2008): "Die Muttertagsmaschinerie." In: faz.net. Letzter Zugriff: 13.04.2021.