Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung
Der Tag wurde 1992 von den Vereinten Nationen ausgerufen und soll auf Belange von Menschen mit körperlichen oder geistigen Behinderungen und auf Lücken in der Inklusion aufmerksam machen (bpb, 2024).
"Alle Menschen sind vor dem Gesetzt gleich. […] Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." (GG, Artikel 3)
Seit 1994 ist in Artikel drei des Grundgesetzes verankert, dass Menschen mit Behinderungen nicht benachteiligt werden dürfen. In Deutschland leben laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales über 13 Millionen Menschen mit Beeinträchtigung (2022). Das ist mehr als jede zehnte Person. Trotz dieser großen Anzahl an Betroffenen ist der Alltag in Deutschland aber längst nicht frei von Barrieren.
Die Bundesinitiative Barrierefreiheit, die 2022 von der Regierung ins Leben gerufen wurde, informiert auf ihrer Website über verschiedene Barriere-Baustellen, die zum Beispiel in Schulen, in der Infrastruktur von Straßen, im ÖPNV und in Wohnungen oder auf dem Arbeitsmarkt bestehen. Auch im Gesundheitswesen sind ärztliche Praxen oder die richtige medizinische Versorgung nicht immer zugänglich. Im digitalen Raum sind es vor allem fehlende Bildbeschreibungen oder zu komplizierte und unverständliche Texte, die Inklusion und Teilhabe verhindern (BMAS, 2022).
Diskriminierende und ableistische Strukturen der Arbeitswelt rückten in den letzten Jahren immer weiter in den Fokus. Laut dem aktuellen Inklusionsbarometer lag im Jahr 2023 die Arbeitslosenquote von erwerbsfähigen Menschen mit Schwerbehinderung bundesweite bei 11 % und damit deutlich über der allgemeinen Arbeitslosenquote von 5,7 % (Aktion Mensch, 2024). Werkstätten, in denen Menschen mit Behinderung arbeiten, fordern seit langem einen Mindestlohn (tagesschau, 2024); zurzeit erhalten die Mitarbeiter*innen ein sogenanntes Werkstatt-Entgelt, das durchschnittlich bei 222 Euro im Monat liegt (Lebenshilfe).
Behindert und queer?
Ein Thema, über das jedoch kaum geredet wird, ist die sexuelle und geschlechtliche Freiheit von Menschen mit Behinderung. Personen, die queer sind und eine Behinderung haben, werden in vielen Lebensbereichen mehrfach benachteiligt.
In der Zeitschrift für Menschenrechte beschreibt die Autorin Nina Eckstein queer*disabled Menschen als Doppeltdiskriminierte. Sie sind aufgrund ihrer Behinderung und wegen ihrer Queerness Vorurteilen und Diskriminierungen ausgesetzt. „In Hinblick auf die Verwirklichung ihre Menschenrechte gerät queer*disabled Menschen zudem zum Nachteil, dass sie keine eigene Lobby haben“ (Eckstein, 2020). Denn weder in der LGBTQIA* Community, noch in der Behindertenbewegung findet „die intersektionale Dimension von queer und disabled ausreichend Beachtung“ (Eckstein, 2020).
Gründe dafür, dass das Thema so wenig Öffentlichkeit erfährt, sieht der Politiker und Aktivist Edwin Greve im Podcast „BBQ-Black, Brown, Queer“ in ableistischen Strukturen und in fehlender Forschung. Erst seit einigen Jahren entwickelt sich ein interdisziplinärer Forschungszweig, der die Schnittmenge von Queer- und Disability Studies zusammendenkt. Neben den spezifischen Diskriminierungen, die mit Behinderungen und queeren Identitäten einhergehen, wird in den Queer Disability Studies zum Beispiel zu Körpernormen und Körperpolitiken geforscht und damit zusammenhängend die kulturellen und sozialen Praktiken untersucht, die aus einer weißen und männlichen Gesellschaft entstanden sind (Ledder & Raab, 2022, 361 ff.).
Ein Ergebnis dieser Forschung ist, dass queeren Menschen mit Behinderung oft nicht nur das Vorhandensein sexueller Bedürfnisse abgesprochen, sondern auch die Selbstbestimmung über ihre Sexualität oder ihr soziales Geschlecht verweigert wird. Dies geschieht, obwohl für alle Menschen das gleiche Recht auf Anerkennung ihrer sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt gilt. Für Menschen mit Behinderung wird der Zugang zu diesem Recht aber oft erschwert oder die Realisierung verwehrt (El Ismy, 2022, 147).
Studieren mit Behinderung
In Deutschland studieren laut Deutschem Studienwerk rund 16 % Menschen mit einer „studienbeschwerenden Beeinträchtigung“ (Deutsches Studierendenwerk). Hürden und Herausforderungen, die sich ihnen an Universitäten stellen, bleiben für andere oft unbemerkt. An der TU Dortmund wird seit den 1970er Jahren daran gearbeitet, diese Hindernisse im Studienalltag zu erkennen und abzubauen. Zentraler Akteur auf dem Campus ist der Bereich „Behinderung und Studium“ (DoBuS). Er verbindet individuelle Beratung und Unterstützung mit systematischen Analysen von Barrieren und der Entwicklung nachhaltiger Lösungen. Ziel ist es dabei immer, nicht nur Einzelfalllösungen anzubieten, sondern langfristig barrierefreie Strukturen zu schaffen.
Das Gleichstellungsbüro der TU Dortmund ruft alle zwei Jahre dazu auf, unsichere Stellen auf dem Campus zu melden. In diesem Jahr wird hierbei der Schwerpunkt auf nicht barrierefreie Stellen gelegt.
So will sich die TU Dortmund immer weiter dem Ziel einer barrierefreien und inklusiven Hochschule nähern.
Quellen
Aktion Mensch. (2024). Inklusionsbarometer Arbeit 2024. Letzter Zugriff: 02.12.2024.
Bundesministerium für Arbeit und Soziales. (BMAS, 2022). Bundesinitiative Barrierefreiheit. Letzter Zugriff: 21.11.2024.
Bundeszentrale für politische Bildung. (bpb, 2019). Internationaler Tag der Menschen mit Behinderung. Bpb. Letzter Zugriff: 15.11.2024.
Eckstein, N. (2020). Queering Disabbility. Zeitschrift für Menschenrechte – zfmr.
El Ismy, I., Jennessen, S. & Prchal, K. (2022). Behinderung, Queerness und Sexualität. Wissenschaft und Forschung.
Deutsches Studierendenwerk. Auf dem Weg zur inklusiven Hochschule. Letzter Zugriff: 21.11.2024.
Grundgesetz GG. Artikel 3. Gleichheit vor dem Gesetz.
Raab H. & Ledder S. (2022). Gender & Queer Studies in den Disability Studies (S.357-374). In: Handbuch Disability Studies. Springer VS.
Lebenshilfe. Welches Geld bekomme ich, wenn ich in einer Werkstatt (WfbM) beschäftigt bin? Letzter Zugriff: 15.11.2024.
Podcast BBQ_Black, Brown, Queer (22. September, 2023). Queerness und Behinderung mit Edwin Greve. ARD.
Tagesschau. (2024). Menschen mit Behinderung fordern bessere Bezahlung in Werkstätten. Tagesschau ARD.