Misogynie, die | misogyn (Adj.)
Der Begriff Misogynie stammt aus dem Altgriechischen (gr. misein: hassen; gyne: Frau) und bedeutet so viel wie „Frauenhass“. Misogynie kann sich dabei sowohl auf individueller als auch auf struktureller Ebene zeigen.
Misogynie hat die Funktion, eine Hierarchie zwischen Männern und Frauen zu stabilisieren und „eine geschlechterdifferente Ordnung (wieder herzustellen)“ (Geier 2020, S. 2), wie die Wissenschaftlerin Andrea Geier in ihrem Text Logik und Funktion von Misogynie schreibt. Der Begriff beschreibt die Vorstellung, dass Frauen auf Grund ihres ⇒ Geschlechts weniger wert sind sowie weniger Macht haben und Entscheidungen fällen sollten. Damit einher geht einerseits das Festhalten an der Idee, es gebe nur zwei ⇒ binäre Geschlechter und ihnen zugehörige ungleichwertige Rollenbilder, und andererseits eine Entwertung und Benachteiligung von Frauen, nicht nur auf individueller Ebene, sondern auch auf struktureller. Die Vorstellung einer vermeintlichen weiblichen Minderwertigkeit zeigt sich als „überhistorisches und kulturübergreifendes Phänomen“ (Schmincke 2018) und wurde bereits seit der Antike in philosophischen Schriften, im christlichen Glauben oder auch in der Wissenschaft immer wieder zum Ausdruck gebracht (Schmincke 2018) – zum Beispiel im christlichen Schöpfungsmythos, in welchem Eva als Grund der Erbsünde genannt und deswegen für die Vertreibung aus dem Paradis verantwortlich gemacht wird.
Exekutivorgan des Patriarchats
Wie es die Philosophin und Autorin Kate Manne in ihrem Buch Down Girl: Die Logik der Misogynie beschreibt, funktioniert Misogynie als das Ideologie- und Glaubenssystem des Patriarchats:
Nach meinem Vorschlag sollten wir Misogynie auf der allgemeinsten Beschreibungsebene als »Exekutivorgan« einer patriarchalischen Ordnung begreifen, das die allgemeine Funktion hat, dessen herrschende Ideologie zu kontrollieren und durchzusetzen. (Manne 2019, S. 120).
Kate Manne betont auch, dass es wichtig sei, die individuelle Ebene zu betrachten, denn nur so könnten einzelne Akteur*innen und ihre misogynen Handlungen und Denkmuster zur Verantwortung gezogen werden (Manne 2019, S. 136). Damit stellt Manne einen Gegensatz zur nach wie vor in Medizin und Psychologie weit verbreiteten Sichtweise auf, dass Misogynie ausschließlich eine krankhafte Eigenschaft einzelner Personen oder Männer sei (FUMA o. J.).
Zusammenspiel von Misogynie, Sexismus und Antifeminismus
Die Begriffe Misogynie, Sexismus und Antifeminismus werden, nicht nur im Deutschen, oft synonym verwendet. Zum Teil ist von Misogynie als Überbegriff von Sexismus oder Antifeminismus zu lesen, der Begriff Sexismus ist im alltäglichen Sprachgebrauch jedoch weiter verbreitet. Zwischen den Konzepten gibt es allerdings theoretische und analytische Unterschiede: In Abgrenzung zu Misogynie bezieht sich Sexismus auf das Geschlecht und kann damit „Männer und Frauen gleichermaßen als potenziell Betroffene wie Praktizierende von Sexismus thematisierbar“ (Schmincke 2018) machen. Antifeminismus hingegen entwickelte sich erst im 19. Jahrhundert und richtet sich direkt gegen feministische Bewegungen und Errungenschaften (Schmincke 2018).
Einen intersektionalen Blick bietet zudem die englischsprachige Wortneuschöpfung mysogenoir, die durch die Silbe noir auf die Perspektive Schwarzer Frauen verweist (FES o. J.). Dadurch soll deutlich gemacht werden, dass Schwarze Frauen durch die Verbindung von Misogynie und Rassismus einem besonderen Hass ausgesetzt sind.
Ausdrucksformen und Auswirkung von Misogynie
Misogynie kann sich in verschiedenen Formen zeigen. Misogynie ist „herablassend, mansplainend, moralisierend, vorwurfsvoll, strafend, sexualisierend, herabsetzend, karikaturistisch, ausbeuterisch, auslöschend und dezidierte Gleichgültigkeit bekundend“ (Manne 2020, S. 72). Die Ausdrucksformen reichen dabei von herablassender Sprache, die Menschen in konservative Rollenbilder zwängen, über den Ausschluss von Frauen aus Räumen und Vorgängen sowie die Verleumdung ihrer Leistungen und Beiträge, bis hin zu psychischer oder physischer Gewalt, sexuellen Übergriffen, Vergewaltigungen oder Femiziden.
Die Idealisierung und Verehrung von Frauen und von „weiblichem“ Verhalten kann auch ein Ausdruck von Misogynie sein, während angeblich „unweibliches“ Verhalten mit Bedrohung, Repression und Abwertung bestraft wird (Geier 2020, S. 14).
Im Internet und den sozialen Netzwerken verfestigen sich bei verschiedenen Akteuren antifeministische und misogyne Weltbilder wie z. B. in der sogenannten Incel-Community, unter Pick-Up Artists oder Männerrechtlern, die allesamt einer männlichen Subkultur (Manosphere) zuzuordnen sind. Neben Misogynie und Antifeminismus ist diese Subkultur außerdem eng mit rassistischen, verschwörungstheoretischen, antisemitischen und rechtsextremen Weltbildern verbunden und kann somit schnell zu einer Radikalisierung der Männer führen. Dies ließ sich beispielsweise bei den Attentaten in Toronto, Christchurch, Halle oder Hanau beobachten (Bauer 2024).
Misogyne Angriffe gehen aber nicht nur von frauenhassenden Männern aus, sondern von allen Gesellschaftsmitgliedern und auch von Frauen selbst: Als „internalisierte Misogynie“ wird die unbewusste oder ungewollte Abwertung und Diskriminierung von Frauen und Weiblichkeit bezeichnet, in dem die strukturell verankerten sexistischen Rollenbilder und Narrative reproduziert werden. Problematisch ist, dass verinnerlichte Frauenfeindlichkeit oftmals mit fehlender weiblicher Solidarität einhergeht (Rosenwasser 2021).
Misogynie lässt sich also zumindest durch das Lernen und Leben „von weiblicher Solidarität“ entgegenwirken oder auch durch die Repräsentation und Normalisierung weiblicher und menschlicher Vielfalt (Rosenwasser 2021). Für eine tiefgreifende Veränderung oder Auflösung von misogynem Denken und misogynen Strukturen muss jedoch die patriarchale Grundordnung verändert werden.
Stand: Juni 2025
Quellen
- Bauer, Mareike Fenja (2024): „Echte Männer“ und „wahre Weiblichkeit“? Antifeminismus um Unterricht begegnen. Bundeszentrale für politische Bildung. Letzter Zugriff 05.06.2025.
- Fachstelle Gender & Diversität NRW (FUMA) (ohne Jahr): #Mysoginie. Letzter Zugriff 30.05.2025.
- Friedrich Ebert Stiftung (FES) (ohne Jahr): Was bedeutet Misogynie? Letzter Zugriff 04.06.2025.
- Geier, Andrea (2020): Logik und Funktion von Misogynie. Probleme und Perspektiven. In: Ethik und Gesellschaft, 2/2020: Frauenfeindlichkeit mit System. Zur Logik der Misogynie in doch-nicht-post-patriarchalen Zeiten.
- Manne, Kate (2019): Down Girl. Die Logik der Misogynie. Suhrkamp.
- Rosenwasser, Anna (2021): Die Frauenfeindlichkeit in uns drin. Letzter Zugriff 05.06.2025.
- Schmincke, Imke (2018): Frauenfeindlich, sexistisch, antifeministisch? Begriffe und Phänomene bis zum aktuellen Antigenderismus. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. 68(1).
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