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Machtmissbrauch

Hierarchien, befristete Arbeitsverträge, hohe Abhängigkeiten: Das ist für viele Menschen in der Wissenschaft Alltag. Das „Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft“ weist darauf hin, dass die traditionellen Strukturen in der Wissenschaft Machtmissbrauch begünstigen oder hervorbringen. Denn „Machtmissbrauch wird [vor Allem] dann möglich, wenn die Interaktion der handelnden Personen durch starke Abhängigkeitsverhältnisse gekennzeichnet ist“, schreibt das Netzwerk (2021). Der Missbrauch von Macht ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und kann in vielen Bereichen beobachtet werden. Hierarchischen Strukturen und Abhängigkeiten in der wissenschaftlichen Praxis begünstigen diesen jedoch und zeigen, dass Hochschulen für Machtmissbrauch anfällig sind. Das ist auch den Hochschulleitungen bewusst: Die Landesrektorenkonferenz NRW (LRK NRW) verpflichtete sich im September 2023 dazu, konsequent gegen Machtmissbrauch vorzugehen und Präventions- und Beratungsmaßnahmen stärker auszubauen. Im November 2023 vereinbarte die bundesweite Hochschulrektorenkonferenz (HRK) Maßnahmen gegen Machtmissbrauch weiter zu entwickeln. Beide Entschließungen werden von der Hochschulleitung der TU Dortmund mitgetragen.

Was ist Machtmissbrauch?

„Machtmissbrauch liegt vor, wenn eine Person die eigene (Macht-)Position für individuelle Interessen ausnutzt und dabei anderen Personen in der beruflichen Umgebung schadet. Dies kann über systematisches Mobbing oder über einzelne Machtstrategien erfolgen“ (Beaufaÿs 2022:10). So definiert die Soziologin und Mitarbeiterin des Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW Sandra Beaufaÿs den Begriff Machtmissbrauch.
Ein Missbrauch von Macht liegt also dann vor, wenn diese ohne vertretbare Begründung ausgeübt wird. Das kann durch Gesten, verbal, psychisch oder physisch geschehen. Machtmissbrauch kann auch in familiären oder anderen privaten Kontexten auftreten. Die Strukturen in der Wissenschaft, begünstigen machtmissbräuchliche Situationen. Das „Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft“ weist beispielsweise auf die gängigen Abhängigkeitsverhältnisse und erheblichen Machtungleichgewichten zwischen Vorgesetzten und Beschäftigten hin (vgl. Lassler & Täuber 2023:1).
Gleichzeitig fällt auf, dass es in der Wissenschaft kaum Möglichkeiten gibt, um beschuldigte Personen zu sanktionieren. Deswegen wendeten sich im 2023 rund 150 Professor*innen in einem Offenen Brief an Verantwortliche in den Ministerien und Hochschulleitungen:

Die Strukturen des deutschen Wissenschaftssystems sind eine Einladung zum Machtmissbrauch. […] Denn Konsequenzen sind extrem rar, und nur selten werden Fälle von Machtmissbrauch im Wissenschaftssystem überhaupt (ob intern oder gerichtlich) verfolgt (Ver.di 2023).

Insbesondere das Beamtenrecht erweist sich als effektiver Schutz von sich missbräuchlich verhaltenden Personen. Vor diesem Hintergrund versucht der Referentenentwurf zur Novellierung des Hochschulgesetz NRW (HG NRW) Paragrafen einzuführen, die weitreichende Konsequenzen bei Verstößen gegen Redlichkeits- und sicherheitsrechtliche Bestimmungen festlegen. Gegen diese Erneuerungen gibt es allerdings landesverfassungsrechtliche Bedenken, so dass eine Überarbeitung der vorgeschlagenen Sanktionsmaßnahmen notwendig ist.

 

Was macht die TU Dortmund?

Das Thema Machtmissbrauch wird an der TU Dortmund seit mehreren Jahren intensiv behandelt. Bereits 2022 verabschiedete das Rektorat die Richtlinie zum Schutz vor Diskriminierung und vor sexualisierter Gewalt. Mit ihr verpflichtet sich die Universität, aktiv gegen Machtmissbrauch vorzugehen und beschreibt Beratungsmöglichkeiten sowie Beschwerdeverfahren an der TU Dortmund. Die Einrichtung der „Zentralen Beratungsstelle zum Schutz vor Diskriminierung und vor sexualisierter Gewalt (SchuDS)“ war eine direkte Konsequenz aus der Richtlinie. Mit Unterzeichnen der Selbstverpflichtung der LRK sowie der Entschließung der HRK 2023 bekräftigte die TU Dortmund erneut, Mitarbeiter*innen und Mitglieder für das Thema Machtmissbrauch zu sensibilisieren und Konzepte für Sanktionsmöglichkeiten und flächendeckende Beratungs- und Betreuungsangebote zu etablieren.
Ein Beispiel für Präventionsbemühungen ist die 2023 verabschiedete Betreuungsvereinbarung im Rahmen der Grundsätze guter Promotionsbetreuung. In ihr wird geregelt, welche Rechte, Pflichten und Aufgabenverteilungen zwischen Promovend*in und Betreuer*innen gelten. Damit ist sie ein wichtiges Instrument, um machtmissbräuchlichem Verhalten vorzubeugen.
Zusätzlich gründete der Rektor die AG Machtmissbrauch, in der Expert*innen aus Forschung und Lehre sowie Ansprechpartner*innen aus  Beratungs- und Anlaufstellen zusammenkommen, sich austauschen und Lösungsansätze diskutieren.

 

Wo kann ich mir Hilfe suchen?

Hilfe für Angehörigen der TU Dortmund, die von Machtmissbrauch betroffen sind, gibt es in allen Beratungsstellen, bei Beauftragten und Vertrauenspersonen sowie bei den Personalräten der TU Dortmund. Die Beratungsangebote sind kostenlos. Einschlägige Anlaufstelle für Wissenschaftler*innen sind auch die Ombudspersonen für gute wissenschaftliche Praxis. Sie dienen als Ansprechpersonen für diejenigen, die zu Fragen guter wissenschaftlicher Praxis Aufklärung suchen oder die auf einen Verstoß gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis – also auch auf Machtmissbrauch – hinweisen möchten. Zudem kann die SchuDS bei Machtmissbrauch aufgesucht werden. Die Beratung unterliegt der Schweigepflicht und wird auf Wunsch anonym durchgeführt. Weitere Schritte werden grundsätzlich nur mit dem Einverständnis der ratsuchenden Person unternommen.

 

Macht- und Geschlechterverhältnis

Machtmissbrauch müsste als ein „strukturelles Problem des aktuellen Wissenschaftssystems“ anerkannt werden, wie das Max Planck PhDnet in seinem Positionspapier von 2018 vorschlägt (vgl. Max Planck PhDnet 2018). Wichtig und interessant ist es aber auch, sich den Zusammenhang von ungleichen Geschlechterverhältnissen und dem Machtmissbrauch in wissenschaftlichen Institutionen anzuschauen.
Laut der internationalen UNI-Safe Umfrage von 2022, haben über zwei Drittel der Studentinnen und Mitarbeiterinnen an Universitäten geschlechtsbezogene Gewalt erfahren (vgl. UniSAFE 2022). Sandra Beaufaÿs weist darauf hin, dass schon die Wissenschaft an sich und ihre Institutionen „unter Ausschluss von ‚Frauen‘“ (Beaufaÿs 2022:10) aufgebaut wurde. Dass die Wissenschaft ein „männliches“ Feld sei, zeige sich auch noch heute: Zum Beispiel durch die zahlenmäßig überlegenden Professuren von Männern an deutschen Hochschulen (vgl. Beaufaÿs 2022:10). Beaufaÿs problematisiert, dass Frauen und TIN*-Personen (Trans, Inter, non-binary-Personen) auf Grund ihres Geschlechtes und/oder ihrer Geschlechtsidentität aus einer eher männlichen Wissenschaft ausgeschlossen seien. Patriarchale Denkmuster und Hierarchien führten dazu, dass Frauen und TIN*-Personen als Wissenschaftler*innen „nicht vollständig anerkennbar sind“ und „als feminin und somit hierarchisch immer unterlegen gelten“ (Beaufaÿs 2022:10f). Hinzu kommt, dass Frauen und TIN*-Personen innerhalb patriarchaler Systeme „als Objekt heterosexuellen Begehrens eingestuft“ (Beaufaÿs 2022:11) werden . Somit sind Frauen und TIN*-Personen aufgrund ihres Geschlechtes in einem mehrfachen Sinne von (sexuellem) Machtmissbrauch bedroht.

Quellen und Literaturtipps

Beaufaÿs, S. (2022): Machtverhältnisse und Machtmissbrauch in der Wissenschaft. In: Sexualisierter Belästigung und Machtmissbrauch an Hochschulen entgegenwirken. Handreichung. Mense, L., Mauer, H., Herrmann, J. (Hrsg.). Universität Duisburg-Essen. S. 10-13.

Lasser, J. & Täuber, S. (2023): Machtmissbrauch in der Wissenschaft: Problembeschreibung und Lösungsansätze für Personalverwaltung und Personalentwicklung. Netzwerk gegen Machtmissbrauch in der Wissenschaft.

Max Planck PhDnet (2018): Machtmissbrauch und Konfliktlösung. Positionspapier.

Ver.di (2023): Profs gegen Machtmissbrauch. Letzter Zugriff: 18.02.2024.

Netzwerk gegen Machtmissbrauch (mw). (2021): https://www.netzwerk-mawi.de/machtmissbrauch. Letzter Zugriff: 18.02.2024.

The UniSAFE Project (November, 2022): Gender-based violence and its consequences in European Academia. First Results from the Unisafe Survey. The Unisafe Project.