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Wie Spra­che stereotype Vor­stel­lun­gen festschreibt

„Wissenschaftler entdecken hochwirksames Medikament.“ Welche Assoziationen löst diese Schlagzeile bei Ihnen aus? Denken Sie vielleicht an Männer in weißen Kitteln, die in Laboren und angewandten Versuchsreihen neue Medikamente ent­wi­ckeln? Vielleicht denken Sie aber auch an For­sche­rin­nen, da Sie diesen Text in der Rubrik „Geschlechtergerechte Spra­che“ lesen. Aber wären Frauen in Ihren Gedanken auch dann aufgetaucht, wenn Sie diese Schlagzeile in einer Ta­ges­zei­tung gelesen hätten? Vermutlich nicht. Wis­sen­schaft­ler­in­nen hätten Sie, ver­schie­de­nen Studien zufolge1, in diesem Kontext nicht mitgedacht – und das aus ei­nem guten Grund: Unser Gehirn unterscheidet nicht au­to­ma­tisch zwischen dem Genus (dem grammatikalischen Ge­schlecht) und dem Sexus (dem biologischen Ge­schlecht). Das führt dazu, dass durch den Gebrauch von so­ge­nann­ten generischen Formulierungen Ungenauigkeiten bezüglich des Redegegenstandes ent­ste­hen.

1 Vgl. zusammenfassend Dagmar Stahlberg, Sabine Sczesny: "Effekte des generischen Maskulinums und alternativer Sprachformen auf den gedanklichen Einbezug von Frauen." In: Psychologische Rundschau, 52 (3), S. 131-144, Göttingen: 2001.

Einfach vs. exakt

Das oben genannte Beispiel verdeutlicht, dass durch die Verwendung des generischen Maskulinums („die Wissenschaftler“) nicht alle Geschlechter mitgedacht werden. Formulierungen in generischen Formen eignen sich nicht dazu, die Realität präzise abzubilden. Vielmehr geben sie ein unvollständiges oder sogar verfälschtes Bild der tatsächlichen Begebenheiten wieder und schreiben in der Regel stereotype und häufig antiquierte Vorstellungen geschlechtlicher Rollenbilder fort. Zwar sind Formulierungen im generischen Maskulinum die gebräuchlichere Form einer verallgemeinernden und einfach gehaltenen Sprache, doch auch die Verwendung des Femininums als generische Form birgt die Gefahr der Diskriminierung und Rollenzuschreibung. Eine Schlagzeile wie „Erzieherinnen streiken wieder“ klingt im ersten Moment nicht ungewöhnlich, da ein Großteil der erzieherischen Berufe von Frauen ausgeführt wird, sie klammert aber durch die generische Formulierung die männlichen Erzieher systematisch aus. So wird die Vorstellung des Erzieher*innen-Berufes als rein weibliches Tätigkeitsfeld verfestigt. Menschen die sich nicht den binären Kategorien Mann oder Frau zuordnen sind in der deutschen Sprache meist noch komplett unsichtbar.

Wir sollten uns darüber bewusst sein, dass wir mit Sprache Realitäten beeinflussen können: Wir können durch sie bestehende Muster bestätigen und bewahren oder sie in Frage stellen und verändern. Sprache ist, genau wie unsere Welt, immer im Wandel und kontinuierlich fließen neue Worte in unseren Alltagswortschatz ein. Ebenso leicht wie wir ‚googeln‘ oder ‚im Netz surfen‘ sagen, können wir von Frauen, Männern und Personen ohne binäre geschlechtliche Zuordnung sprechen, wenn wir sensibel mit Sprache umgehen. Denn aus einem „Mitmeinen“ resultiert in althergebrachten Formulierungen nicht automatisch ein „Mitdenken“. Diese Tatsache zu ignorieren ist nicht mehr zeitgemäß. Eine exakte und diskriminierungsfreie Sprache hilft dabei, nicht nur einen Teilbereich unserer Realität abzubilden; sie erfasst alle Facetten gleichermaßen.

Die TU Dortmund empfiehlt die Verwendung des Gendersterns, weil er Platz schafft für alle Geschlechteridentitäten.